27.07.2020

Bis an die Leistungsgrenzen beim Stoneman Taurista - Mission Gold 20 II 20 von Jan Finster und André Haußmann

Am 4. Juli startete Jan Finster mit seinem Kumpel André zur zweiten Stoneman Challenge ihrer Biker-Karriere. Dieses Mal sollte es der Taurista in Österreich sein, bei dem auf 134 Kilometern und 4500 Höhenmetern mehrere Gipfel und Pässe zu bezwingen sind. Auch diese Strecke wollten die beiden Mountainbiker an einem Tag bewältigen, um die Stoneman-Trophäe in Gold ihr eigen nennen zu können. Ob ihnen dieses Vorhaben gelang und was sie auf der Strecke so alles erlebten, erfährst du in Jans Bericht:

„Vor zwei Jahren haben mein Kumpel André und ich den Stoneman für uns entdeckt. Der Stoneman ist ein europaweites Mountainbike-Abenteuer, bei dem das Naturerlebnis im Vordergrund stehen soll. Kein Wettkampfstress und individuelle Streckeneinteilung sind die Devise. Meistert man die Tour an einem Tag, kann man die Stoneman-Trophäe in Gold sein Eigen nennen. Wird die Strecke in zwei oder drei Tagen bezwungen, hat man sich Silber bzw. Bronze erkämpft. Stoneman-Routen gibt es in Deutschland/Tschechien (Miriquidi), der Schweiz (Glaciara), Belgien (Arduenna), Österreich (Taurista) und in Italien (Dolomiti). Die italienische Variante ist der Ur-Stoneman. Nach längerer Planung haben wir im vergangenen Jahr mit dem Miriquidi unseren ersten Stoneman in Gold gerockt. Für dieses Jahr planten wir dann unser nächstes Stoneman-Abenteuer.

Die akute Corona-Situation im Frühjahr mit Lockdown, Grenzschließungen usw. beeinflusste natürlich auch unsere Planungen. So buchten wir erst mal gar nichts und schwenkten dann vom Glaciara auf den Taurista (https://www.stoneman-taurista.com/) in Österreich um. Dieser wird in diesem Jahr in der C-Edition angeboten, 11 Kilometer mehr (insgesamt 134 km) bei gleichen Höhenmetern (4.500). Aufgrund von Homeschooling, Homeoffice, Homecooking, Homegardening usw. war neben unseren Planungen auch meine Vorbereitung massiv gestört. Ab Mitte März hatte ich plötzlich nur noch sehr wenig freie Zeit fürs Training übrig. Einerseits entfiel mein Arbeitsweg mit dem Rad, andererseits mussten die dem Lockdown zum Opfer gefallenen Freizeitaktivitäten meiner drei Kids auch irgendwie aufgefangen werden. André motivierte mich zwischendrin mit Postings von seinem Training. An den Wochenenden versuchte ich, immer mal wieder längere Touren einzustreuen, was aber leider nicht so häufig wie gewünscht möglich war. Vier Wochen vor der geplanten Tour streckte mich dann noch ein erstklassiger Männerschnupfen (glücklicherweise kein Covid 19) nieder, so dass ich fast zwei Wochen gar nicht aufs Rad konnte. Den Rückfall 10 Tage vor der Tour steckte ich zwar gut weg, kam aber dennoch ins Grübeln, ob ich diese Belastung wirklich riskieren soll. Letztlich wollten wir die Strecke ja wieder an einem Tag schaffen. Nachdem meine Abschlussrunde aber super lief, stand fest, dass ich’s versuchen wollte. Schließlich hatte ich ja bis Mitte März ordentlich trainiert. Davon kann man schon zehren, dachte ich mir. Und zwischendrin saß ich ja schon öfters auf dem Bike. Das Rad selbst war ohnehin top in Schuss. Das hatte im Wintertuning noch mal mehr als ein halbes Kilo abgespeckt. Das würde von ganz allein rollen. Also alles super, und so ein Stoneman ist doch auch gar nicht so schlimm, oder?

André schlug am Mittwoch, den 01.07.2020, in Top-Form bei mir auf und wir starteten mit dem Wohnmobil in Richtung Österreich. Als Startpunkt hatten wir Flachau auserkoren, weil es direkt an der Strecke liegt und bezogen auf das Höhenprofil einen guten Einstieg bietet. Da laut Wettervorhersage sowohl am Donnerstagabend als auch an dem von uns ursprünglich geplanten Tourtag am Freitag mit ordentlich Regen, z.T. mit Gewitter zu rechnen war, schwenkten wir kurzerhand auf den Samstag um und packten unsere Rucksäcke ordentlich mit warmen Sachen voll. Weiter oben könnte es ja deutlich kälter werden. Um uns schon ein wenig einzurollen, machten wir am Donnerstag die in diesem Jahr nicht im Stoneman Taurista enthaltenen Streckenabschnitte („Grießenkar“ und „Edelweiß-Alm“) klar.

Für unsere „Mission Gold“ starteten wir am Samstagmorgen pünktlich um 6:00 Uhr in Richtung Hochgründeck, hatten die ersten 1.000 HM nach gut 2,5 Stunden bewältigt und wurden dafür mit einem gigantischen Ausblick belohnt. Die nächste Etappe bis hoch zum Rossbrand zog sich dann schon deutlich länger. Ein Stück auf coolen Trails durch ein Hochmoor machte nach dem Regen der vorangegangenen Tage sämtliches Gewichtstuning am Rad obsolet. Ordentlich mit Schlamm bepackt, standen wir plötzlich vor einer 28 %-Steigung, die weniger Weg, als vielmehr Geröll und noch vielvielmehr Wand war. Dann kamen von hinten drei Biker auf elektrisierten Enduro-Waffen angeschossen. Der erste warf sein E-Bike im Anstieg fast weg, die beiden nachfolgenden Jungs schafften es knapp hoch. Wir überlegten kurz und schoben dann doch nach oben. „Sonst jederzeit, klar, ohne Probleme, denen hätten wir es schon gezeigt, selbstverständlich, aber wir haben ja heute noch was vor“, redeten wir uns zu.

   

Oben am Rossbrand angekommen, erwartete uns das nächste überwältigende 360° Alpenpanorama. Die Fotosession mit dem Gipfelkreuz gehörte selbstverständlich auch für uns zum Pflichtprogramm. Die 15 km bis zum Mandlberggut, unserer nächsten Station, vergingen bei der Abfahrt auf flowigen Trails und Forststraßen wie im Fluge. Der Uhrzeiger stand zwar schon auf 14:15 Uhr, aber wir hatten ja bereits mehr als die Hälfte der Distanz und der Höhenmeter geschafft. Also gönnten wir uns eine längere Pause.

Die folgenden 9 km und 350 hm bis Forstau fielen mir dann schon deutlich schwerer als zu Beginn unserer Tour, aber erst danach kam der mit 15 km und 1.000 hm längste und zum Schluss hin immer steilere Anstieg zur Oberhütte. Hier lief es bei André immer noch super, ich dagegen hatte schwer zu kämpfen. Es ging einfach nur permanent nach oben. Mein Garmin zeigte dauerhaft Steigungen im deutlich zweistelligen Bereich. Diese waren auf festem/ geschottertem Untergrund eigentlich einigermaßen fahrbar, aber trotz 2-fach-Schaltung war irgendwann einfach kein kleinerer Gang mehr zu finden. Und an einem besonders steilen Stück kam mir dann noch ein Auto entgegen, das aus unerfindlichen Gründen die ganze Straße benötigte und mich vom Rad zwang. Auf dieses kam ich nun erst mal nicht wieder rauf. So dehnte ich beim Schieben ein wenig meine Waden. Nach der nächsten Kurve kam, klar, wieder ein steiler Anstieg. Egal, noch einmal durchschnaufen, dann wieder rauf aufs Rad und weiter ging‘s. Nach harten 2:45 Stunden, inkl. einer Hüttenpause, hatten wir auch diesen Berg geknackt und stanzten die nächsten Löcher in unsere Stempelkarten.

 

Im festen Irrglauben, nun das Schlimmste überstanden zu haben, und in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit, füllten wir nur kurz unsere Wasserflaschen und starteten in die nächste Etappe. Dass die Überquerung des Tauernpasses uns aber so viel Zeit und Energie kosten würde, hatten wir wirklich nicht eingeplant. Wer die Streckenbeschreibung genauer gelesen hätte, wäre bei den Worten „Königsetappe“, „Alpinsteig“, „Schiebe- und Tragepassagen“ vielleicht minimal hellhörig geworden. Wir hingegen dachten selbstverständlich positiv, mehr als 3.500 hm geschafft, fast 90 km hinter uns, müssten wir doch eigentlich das letzte Stückchen nur noch runter rollen. Aus dem „runter rollen“ wurde aber erst mal nix, so wie das „Rollen“ insgesamt erst mal eingestellt wurde. Das Motto der nächsten knapp zwei Stunden lautete „Wer sein Bike liebt, der trägt und schiebt“. Wir quälten uns über diesen Gebirgspass, der mein Hardtail abstieß, wie es sich für einen Gebirgspass eben gehört.

Diese Passage hatte mit einer Bike-Tour jedenfalls nicht mehr allzu viel gemein. Für Fahrtechnikexperten ein Paradies. Für uns, ohne genaue Streckenkenntnis, mit zu viel Gepäck sowie ordentlich Kilometern und Höhenmetern in den Knochen, leider nur noch in Teilen fahrbar. Trotzdem waren wir am Ende stolz, den Pass bezwungen zu haben.

Weiter unten im Tal kamen wir dann auf geschotterten Wegen deutlich schneller voran und genossen am Johannesfall die einmaligen Eindrücke des mehr als 70 Meter hohen Wasserfalls.

 

Langsam nahte jedoch die Dunkelheit und ein Loch fehlte noch auf unserer Stempelkarte. Zu überwinden waren noch einmal 31 km und 600 hm bis zum Sattelbauer. Der „Spaß“ zog sich noch mal ordentlich, die Muskeln, der Rücken, das Sitzfleisch, alles brannte und endlich oben angekommen, zeigte sich die Stempelstation wieder gut versteckt. Aber wir meisterten auch diese Hürde und rollten glücklich die letzten Meter bis nach Flachau. Schließlich hatten wir die Tour wieder an einem Tag geschafft und uns unseren nächsten goldenen Stein verdient.

Fazit:

Der Stoneman-Taurista ist in der Gold-Variante eine hammerharte Bike-Tour und nix für Gelegenheitsradler. Die Ausblicke sind gigantisch und einmalig, die Gastfreundschaft der Österreicher, die Einsamkeit der Berge, die Stille und die Tierwelt sind einfach nur zum Genießen. Es sind aber auch sehr schwere Streckenabschnitte mit längeren Schiebe- und Tragepassagen enthalten.

Beschilderung: Die Streckenbeschilderung ist im Vergleich zum Stoneman-Miriquidi leider deutlich schlechter. Zunächst sieht man die roten Schilder im Vergleich zu den gelben Schildern des Miriquidi nicht so gut, und die Schilder 150 bis 200 m nach den Kreuzungen fehlten zumeist. Das führt dazu, dass man sich nach Abzweigungen immer mal wieder fragt, ob man sich überhaupt noch auf der Strecke befindet. Der wenige Tage vor der Tour bereit gestellte GPS-Track war dagegen Gold wert. Letztlich hatten wir dann aber doch fünf Kilometer mehr (insges. 141) auf dem Tacho, als der Track vorgesehen hatte.

Ausrüstung/Gepäck: Hier gilt, weniger ist mehr!!! Wir hatten leider viel zu viel Zeug dabei, vor allem klamottentechnisch. Man sollte sich genau überlegen, was man wirklich benötigt und auch Werkzeug, Ersatzschläuche, erste Hilfe-Set etc. gut aufteilen. Wir haben Goldfahrer getroffen, die nur ihr Handy, zwei Riegel, Flasche, Schlauch, Tool, Windjacke und Bargeld dabei hatten. Ist für meine Begriffe dann zwar doch recht spartanisch, aber die kamen damit durch.

Verpflegung: Mit ca. 25° C zur Mittagszeit kam ich mit zwei Flaschen gut hin. Die 0,5 l Reserveflasche im Rucksack brauchte ich nicht. Das Ding musste dennoch fast jeden Berg mit hoch. Es gibt auf dem Taurista im Gegensatz zum Miriquidi sehr viele Wasserstellen unterwegs, so dass man zwischendrin die Vorräte gut auffüllen kann. Am Hochgründeck, Rossbrand, Mandlberg, auf dem Weg zur Oberhütte, der Oberhütte selbst und am Sattelbauer bestehen definitiv Möglichkeiten zur Einkehr.

Hardtail oder Fully? Beides geht! Entscheidend ist die Übersetzung. Bevor ihr ein Abenteuer in den Alpen startet, schaut, ob ihr einen möglichst kleinen Klettergang am Bike habt, mit dem ihr über einen längeren Zeitraum Steigungen um die 20 % fahren könnt. Mein Hardtail mit dem Rocket Ron/Racing Ralph-Mix von Schwalbe rollte auf vielen Passagen deutlich besser als das Fully von André. Dennoch wäre ein griffigerer Hinterreifen wünschenswert gewesen. So war André in den Abfahrten nicht nur wegen seiner super Fahrtechnik klar im Vorteil.

Stellplatztipp: Zu den Logispartnern können wir wenig sagen. Wir hatten beim Alten Jagdhof in Flachau einen super Stellplatz. Dieser wird zwar grundsätzlich als kostenfrei angegeben, tatsächlich ist jedoch Kurtaxe abzuführen und man sollte dort auch mal essen gehen. Ist aber kein Problem, da das Preis-/Leistungsverhältnis hier echt stimmt. Um sicher zu gehen, dass wir kurz nach der Grenzöffnung auch wirklich kommen können, hatten wir uns vorher beim Alten Jagdhof angekündigt.

Pick-Up-Service: Im Starterpaket ist zwar ein Booklet enthalten, in dem Service-Partner für eventuelle Materialprobleme genannt werden. Ein konkreter Pick-Up-Service für Notfälle, analog zum Miriquidi, ist aber nicht aufgeführt. Wir haben uns bei unserer Ausgabestelle die Nummern von zwei lokalen Taxiunternehmen geben lassen, die uns mit unseren Rädern im Notfall hätten abholen können.“