16.07.2020

Eingefrorene Finger im Hochsommer: Engadin Bike Giro geprägt von Kälte und einer anspruchsvollen Strecke

Im Hochgebirge kann es auch im Hochsommer empfindlich kalt werden. Dies wurde Mark Jagenow vom Lindauer Mountainbike-Team toMotion Racing by black tusk bei seiner Teilnahme an dem dreitägigen Engadin Bike Giro schmerzlich bewusst. Kälte und Regen machten die technischen Trails in den Schweizer Alpen noch anspruchsvoller als sie es ohnehin schon sind und brachten vom 10. bis zum 12. Juli 2020 viele der rund 450 Teilnehmer an ihre körperlichen und seelischen Grenzen. Jagenow zeigte Durchhaltevermögen und freute sich am Ende über den 23. Platz der Gesamtwertung im rund 90-köpfigen Teilnehmerfeld der Kategorie Herren Fun 2.

„Wie viele Flowtrails haben die im Engadin eigentlich?“ fragte sich der toMotion-Fahrer im Verlauf des Rennens mehr als einmal. Nicht enden wollende, meist sehr technische Trails bergauf wie bergab verlangten den Teilnehmern des Engadin Bike Giro sowohl konditionell als auch technisch alles ab. Die erste Etappe war mit 36 Kilometern und 1336 Höhenmetern vergleichsweise kurz und Mark Jagenow teilte sich seine Kräfte auf Anraten seiner Lindauer Trainerin Andrea Potratz gut ein. Bei herrlichem Wetter und sommerlichen Temperaturen kam er trotzdem gut voran und wurde am Ende mit Platz 23 seiner Alterskategorie belohnt.

 

Am folgenden Tag schlug das Wetter um. Eine halbe Stunde vor dem Start setzte Regen ein, der auch die Temperaturen unter zehn Grad sinken ließ. Regen und Kälte sollte die Teilnehmer fast den ganzen Tag über begleiten. Der mit knapp 1000 Höhenmetern längste Anstieg des Tages brachte die Mountainbiker bis auf eine Höhe von über 2500 Meter. „Dieser Berg wollte nicht enden und wurde immer steiler. Die letzten Meter musste ich schieben. Mein Begleiter ist gefahren, war aber langsamer“, erinnert sich Jagenow. Die Kälte in der darauffolgenden Abfahrt führte dazu, dass seine Finger gefühllos wurden und er sich in den technischen Trails schwer tat mit dem Bremsen. Gemeinsam mit einem weiteren Fahrer bewältigte er die letzten fünf flachen Kilometer ins Ziel und war am Ende froh, diese Etappe heil überstanden zu haben. Für die 71 Kilometer und 2545 Höhenmeter benötigte Jagenow knapp viereinhalb Stunden und sicherte sich damit Rang 22 seiner Kategorie.

Am dritten Tag hörte der Regen auf, die Temperaturen blieben jedoch weiterhin sehr frisch. Auf 64 Kilometern und 2318 Höhenmetern warteten viele technische Trails auf die Teilnehmer, die zu etlichen Stürzen und Defekten führte. Der Hauptanstieg des Tages, hinauf zum Suvretta Pass (2620 m), hielt mehr als 1000 Höhenmeter für die Racer bereit. „Dieses Mal war viel nicht befahrbar. So machte sich eine lange Schlange schiebender Rennfahrer auf den Weg die Serpentinen hinauf“, berichtet der toMotion-Fahrer. „Ab und zu kam ich aus meinem Delirium heraus und konnte die unbeschreibliche Gegend bewundern. Ganz oben war ich dann völlig alleine, was sehr imposant war.“ Auf der anschließenden Abfahrt ins Ziel, die nur durch einen kurzen Gegenanstieg unterbrochen wurde,  bereiteten ihm seine Finger ähnliche Probleme wie am Vortag, was Zeitverluste mit sich brachte. So musste er sich an diesem Tag mit Platz 32 zufrieden geben, konnte sich durch seine starken Leistungen der beiden vorangegangenen Etappen jedoch über Rang 23 der Gesamtwertung freuen. Mit seiner derzeitigen Form ist Mark Jagenow, ebenso wie seine Trainerin, sehr zufrieden und hofft, sie in dieser Saison noch bei weiteren Rennen unter Beweis stellen zu können.

 

Ergebnisübersicht:

 

Engadin Bike Giro (10. – 12.07.2020):

1. Etappe (36,1 km, 1336 hm)

23. Platz Herren Fun 2     Mark Jagenow (1:50:31)

2. Etappe (71,2 km, 2545 hm)

22. Platz Herren Fun 2     Mark Jagenow (4:27:37)

3. Etappe (64,3 km, 2318 hm)

32. Platz Herren Fun 2     Mark Jagenow (4:03:43)

Gesamtwertung

23. Platz Herren Fun 2     Mark Jagenow

 

Original-Rennberichte:

 

Mark Jagenow, 23. Platz Herren Fun 2 beim Engadin Bike Giro, 1. Etappe:

„1. Etappe zum Engadin Bike Giro. Bei herrlichem Wetter und sommerlichen Temperaturen ging es um 14 Uhr nach einer vierstündigen Anfahrt an den Start. Gut eingestellt von Andrea Potratz durfte ich meinen ersten Start bei einem Etappenrennen antreten. Durch die Corona Hygienemaßnahmen wurde von allen Fahrern im Startblock ein Mundschutz getragen, was in meinen Augen sehr gut funktionierte! Jetzt aber Start und go. Eigentlich wie immer beim Marathon! Es wurde auf der recht kurzen, 36 km langen Runde sofort geballert an den Anstiegen. Ich erinnerte mich immer wieder an Andreas Worte: „Geh es mäßig an“. Gesagt, getan. Ich legte einfach nicht die Schippe drauf, die man gewöhnlich drauflegen kann, und bin aber trotzdem gut vorangekommen. Wie die letzten Jahre lag ich immer um die ersten Frauen herum. Jetzt kam es aber! Viel darüber gehört, aber dann tatsächlich kennengelernt - die Abfahrten waren sehr, sehr technisch. Vor allem die letzte Abfahrt: 500 hm im Flow Trail. Mega!!“

Mark Jagenow, 22. Platz Herren Fun 2 beim Engadin Bike Giro, 2. Etappe:

„Etappe Nr. 2. Heute gab es genau eine halbe Stunde vor dem Start 9 Grad Celsius und Starkregen! Aber es hilft ja alles nix und zudem müssen da alle durch. Ich konzentrierte mich von Anfang an wieder nur auf mich. An manchen Stellen und Situationen war es schwer! Zum einen wollte ich die Leute vom Vortag, bei denen man sich schon gut gefühlt hatte, nicht wegziehen lassen. Zum anderen wollte ich in den flachen Zwischenstücken eine starke Gruppe haben. Deshalb investierte ich manchmal ein bisschen mehr Körner, was sinnvoll war, wie sich später herausstellte. Am großen Anstieg (1000 hm, die ersten 500 als breiter Waldweg, die restlichen 500 hm als Wanderweg(Trail)) konnte ich mich zunächst sehr gut vorarbeiten und meine Kräfte schön einteilen. Dann ging es auf den Wanderweg (Trail). Hier ging es bei allen ums Überleben. Man konnte nicht taktieren mit den Kräften, sondern musste seine ganze Performance zeigen, sonst war Schieben angesagt. Gott sei Dank ließ in dieser Passage der Regen ein bisschen nach. Gefühlt eine Stunde in dem Trail bergauf, ging es danach ein Stückchen im gleichen Stil bergab, bevor es auf 2500 m.ü.M bei strömendem Regen und 2 Grad so steil bergauf ging, dass die Übersetzung 32/50 einen ausgelacht hat. Und dieser Berg wollte nicht enden und wurde immer steiler. Die letzten Meter musste ich schieben. Mein Begleiter ist gefahren, war aber langsamer. Voll im Höhendelirium ging es danach im Flowtrail 600 hm bergab. Am Anfang machte das noch Spaß, aber nach 20 min Regen und Kälte fror mir mein rechter Bremsfinger ein und ich spürte null Druckpunkt, was im Trail eine Katastrophe war. Ich war noch nie so froh, als es in den letzten Anstieg ging und ich meinen Körper wieder ein bisschen auf Temperatur bringen konnte. Dann ging es mühsam die letzen Höhenmeter bergauf. Bevor - und da bin ich vom Glauben abgefallen - es exakt denselben Flowtrail hinunter ging wie am ersten Tag. Nur dieses Mal mit gefrorenem Finger bzw. inzwischen ganze Hand und im totalen Matsch. Hier war wirklich nichts mehr flowig. Sicht durch die Brille war null, deshalb weg damit. Dafür Matsch mit meinen Augen gefangen, was zu mehreren Zwangsstopps führte. Am Schluss kam ein Fahrer hinter mir, der es Wahnsinnig eilig hatte, ins Ziel zu kommen. Dem schloss ich mich die letzten fünf flachen Kilometer an und kam, froh dass ich diese Etappe heil überstanden hatte, im Ziel an.“

Mark Jagenow, 32. Platz Herren Fun 2 beim Engadin Bike Giro, 3. Etappe:

„3. und letzte Etappe beim Engadin Bike Giro. Bei strahlenden Sonnenschein und frischen 9 Grad fiel der letzte Startschuss im Engadin. Gleich nach dem Start kam es im Feld zu einem Sturz, dem ich mich nur ganz knapp entziehen konnte. Gleich danach kam ich in den ersten Anstieg nur ganz schlecht rein. Der Puls war sehr, sehr niedrig und kam auch nicht höher. Erst nach ca. 300 hm taute ich langsam auf. Die ersten Wellen waren einmal mehr sehr, sehr technisch und teils mit unbefahrbaren, felsigen Passagen gespickt. Keine Abfahrt war normal, sondern alles im sehr technischen Bereich. Hier gab es sehr viele Stürze und Defekte. Sogar Markus Kaufmann hat es erwischt, wie ich aus dem Augenwinkel erkennen konnte. Das anfängliche bergauf-bergab endete mit einer längeren Flachpassage, wo ich nochmal richtig Körner brauchte, um die Gruppe vor mir zu erreichen, die ich zuvor bei der Abfahrt nicht hatte halten können. Was wiederum sehr gut war! Ich konnte mich dann, bevor es die 15 Kilometer und 1100 hm bergauf in Richtung Suvretta Pass ging, in der Gruppe nochmal erholen. Die ersten Kilometer waren wieder im Waldweg-Stil, bevor es wieder auf die Wanderwege ging. Nur dieses Mal war viel nicht befahrbar. So machte sich eine lange Schlange schiebender Rennfahrer die Serpentinen bergauf auf die Socken. Ab und zu kam ich aus meinem Delirium raus und konnte tatsächlich die unbeschreibliche Gegend bewundern. Ganz oben auf 2700 m.ü.M. war ich völlig alleine (also 50 Meter vor mir und hinter mir niemand), was sehr imposant war. Danach wieder eine Abfahrt, und ich habe mich wieder gefragt, wieviel Kilometer Flowtrail die im Engadin eigentlich haben. Nicht endende Trails! Leider machte mir mein Finger vom Vortag wieder dieselben Probleme und ich konnte nicht so schnell (auf jeden Fall nicht so schnell wie meine Mitstreiter) den Berg hinab. Anschließend ging es nochmal ein paar Meter Trails hinauf, bevor der finale Dowhill im absoluten Steinfeld ca. 5 Kilometer bergab ging. Ich war froh, da pannenfrei durchzukommen. Mein Resümee für die letzte Etappe: So Technisch Anspruchsvoll habe ich selten trainiert und noch nie ein Rennen gefahren. Manche Passagen würde ich kein zweites Mal fahren. Das Wetter machte die Tortur ein bisschen erträglicher. Und ich war wieder froh, die ganze Sache heil rumgebracht zu haben.“