27.07.2020

Gehen 500 Kilometer im Hellen? Ausdauer-Ass Heiko Röhrig will's genau wissen

Nach dem Everesting 10k Roam setzte bei Heiko Röhrig der typische Effekt ein: Fragt man sich noch in der Crunch-Time eines Ultra-Events durchaus mal, warum man sich das eigentlich antut, kommen am nächsten, spätestens am übernächsten Tag Gedanken, wie man sich erneut ins „Runners-High“ fahren kann… „Und dabei kam bei mir die Frage auf: Gehen 500 im Hellen? Also entwickelte ich konkret eine Challenge: schafft man am längsten Tag des Jahres von der ersten Morgendämmerung (so ab 4.30 Uhr kommt das erste Tageslicht) bis zum letzten Tageslicht (ca. 22.30 Uhr) mit allen Pausen und Halts 500 Kilometer?“

„Ähnlich wie bei meinem ersten Everesting habe ich das mal mit einer Bruttozeit von 18 Stunden naiv überschlagen und bin auf einen erforderlichen Schnitt von unter 28 km/h gekommen. Das ist zu schaffen. Dann nochmal alternativ mit einer Stunde Stillstand gerechnet, ergibt sich bei 17 Stunden Nettofahrzeit schon 29,4 km/h als erforderliche Durchschnittsgeschwindigkeit. Weiter habe ich nicht gerechnet, hätte ich aber tun sollen…

Da es am längsten Tag terminlich leider nicht passte, fiel die Wahl auf den 11. Juli. Es sollte moderate 20 - 25° C haben, leicht bewölkt sein und windstill, also alles optimal. Ich wollte einigermaßen autark sein, also suchte ich eine Runde mit gut 50 km von zu Hause aus, von der ich eigentlich dachte, dass sie komplett flach sei mit wenigen aufhaltenden Ampeln und Kreuzungen, an denen man stehen bleiben muss hat. Ergäbe also erforderliche 10 Runden.

Morgens stellte ich zunächst Verpflegung und Wechselklamotten unter der heimischen Pergola bereit und fuhr Punkt 4.30 Uhr los. Zielsetzung: möglichst wenig Pause, d.h. bei den neun Malen, wo ich zu Hause vorbeikomme, nur kurz Flasche wechseln, Verpackungen aus den Trikottaschen in den Müll und neue Verpflegung einstecken. Essen möglichst komplett im Fahren und möglichst zügig ran an die Sache, um etwas Reserve rauszufahren. Die ersten zwei Runden bzw. 100 km endeten mit einem Schnitt über 33 km/h, trotzdem war aber bereits ein Delta von fast 20 min zwischen Netto- und Bruttofahrzeit durch Ampel- und Kreuzungsstopps entstanden. Die Zeit saß mir also heftig im Nacken. Hatten sich beim Everesting noch viele Begleiter über den Tag eingefunden, kam dieses Mal niemand. Rückblickend könnte das damit zusammenhängen, dass man meiner Beschreibung der Sache im Strava und auf auf Facebook einen gewissen Stress und erforderlichen Kettenzug entnehmen konnte und sich deswegen niemand getraut hat (das wurde mir zumindest so von Freunden berichtet).

Analog zum Everesting kam auch hier am späten Vormittag ein kräftiger Wind auf, welcher der Sache nicht unbedingt dienlich war. Bis 300 km lief es trotzdem wie am Schnürchen, ich lag bei 32,5 km/h im Schnitt und hatte mir einen ganz guten Puffer herausgefahren. Es folgte ein kleiner Kampf gegen Probleme im rechten Sprunggelenk, die durch einen Schuhwechsel kurz besser wurden. Bei 350 km stellten sich die gleichen Schmerzen dann auch im linken Sprunggelenk ein, so dass sie zumindest gleichmäßig waren, was in der siebten Runde - verbunden mit richtig fettem Wind - zum ersten richtigen Tiefpunkt führte. In der achten Runde fand ich dann aber nochmal eine richtig gute Einstellung und passend dazu fiel mir dann auch nochmal ein richtig dicker Tropfen auf die Kette. Nach dieser Runde hatte ich bei 413 km noch einen knappen 32er Schnitt. Ich wusste, ich muss nur noch eine ganze und danach noch eine verkürzte Runde schaffen, und hatte dafür noch fast vier Stunden Zeit. Auch wenn ich spürte, dass das bis hierher angeschlagene Tempo nicht mehr zu halten sein würde: 80 flache Kilometer gehen immer noch irgendwie und so ging es auf die letzte volle Runde. Nun begann die Crunch-Time und zu den Schmerzen in den Sprunggelenken gesellten sich auch noch Schmerzen in beiden Knien, was natürlich für die Kraftübertragung auf die Pedale nicht so förderlich ist. Trotzdem kam ich von der neunten Runde mit 465 km und einem Gesamt-Schnitt von immer noch 31,5 km/h zurück und es waren noch mehr als 1,5 Stunden Zeit. Warme Klamotten an und die Beleuchtung montiert, ging es auf die letzte, verkürzte Runde. Um 22.15Uhr lief ich dann zu Hause ein mit 503 km auf der Uhr und 16:18 Nettofahrzeit, was immer noch einem Schnitt von 30,9 km/h über die gesamte Strecke entspricht. Ich muss aber ganz ehrlich zugeben, dass dies eine der härtesten Aktionen war, die ich bisher gemacht habe: Vom ersten Meter an die Zeit im Nacken, die ganze Strecke allein im Wind, der dann immer stärker wurde (vielen Dank übrigens an dieser Stelle an Wetteronline für den windstill prognostizierten Tag… ) und am Ende stellte sich heraus, dass auch noch knapp 4000 Höhenmeter zusammengekommen waren. Auch hier kann ich mich nur nochmal ganz doll bei meiner Familie bedanken, die bei jeder Einfahrt in den Hof parat standen und für Aufmunterung sorgten!

Ich glaube, für dieses Jahr reicht es dann erst mal mit den verrückten Challenges. Aber die Erfahrung lehrt diesbezüglich: sag niemals nie…