19.08.2021

Heiko Röhrig im Interview

Heiko Röhrig ist einer von denen, die sich quälen können und die „in der Crunch-Time eine gewisse Resilienz besitzen“, wie er es selbst formuliert. Der 51-Jährige vom toMotion-Standort Rhein-Main fährt am liebsten Stundenrennen, oft betreut von seiner Frau und/oder seinem Sohn, die „den ganzen Kram und die Verrücktheiten des Familienvaters mitmachen und sogar noch unterstützen“. Mittlerweile hat Heiko eine ganze Reihe von Podiumsplatzierungen gesammelt, sieben davon bei einem seiner Lieblings-Events, dem 12-Stunden-Rennen in Külsheim. Als die meisten Mountainbike-Rennen der Saison 2020 pandemiebedingt ausfielen, suchte sich der Ausdauerspezialist eigene Herausforderungen in Form eines Everestings 10k Roam und seiner Challenge „500 km im Hellen“ (über beide haben wir berichtet – Links siehe unten). Was Heiko beruflich macht, weshalb er sich zu den „Mountainbikern der ersten Stunde“ zählt und wie er vor rund zehn Jahren ins Team toMotion Racing by black tusk kam, erfährst du in unserem Interview:

Hallo Heiko, bitte stelle dich kurz vor.

Heiko Röhrig, 51Jahre, Rosbach v.d.H.

Wer gehört sonst noch zu deiner Familie?

Meine Frau Raphaela und mein Sohn Benedikt, die den Mann/Vater jederzeit klaglos und engagiert bei seinen Rennen bzw. sonstigen Challenges unterstützen, obwohl beide keine Sportler sind. Bei 12- bzw. 24h-Rennen, die auch die Betreuer aufs Äußerste fordern, keine triviale Angelegenheit.

Welchen Beruf übst du aus? Was gefällt dir daran?

Ich bin Prokurist und verantwortlich für Vertrieb und Marketing bei einem Unternehmen der Automatisierungstechnik und Robotik. Von der Ausbildung her habe ich zuerst was Gscheits´ gelernt (Elektriker) und danach studiert und bin Dipl.-Ing. der Elektrotechnik.

Was bedeuten dir Sport im Allgemeinen und das Mountainbiken im Besonderen?

Sport bedeutet mir grundsätzlich sehr viel. Als Zuschauer - neben Radsport - bin ich Dauerkarteninhaber und Mitglied des coolsten Fußballclubs der Welt. Außerdem öfters im Colonel Knight Stadion, der Heimspielstätte des DEL2-Eishockey-Clubs EC Bad Nauheim, meiner Geburtsstadt. Diese Saison habe ich auch  dort eine Dauerkarte. Als Fan bin ich beim Sport evtl. teilweise nicht immer nur sachlich und auch Objektivität würde ich vielleicht nicht zu meinen Stärken zählen… ;-)

Radsport im Allgemeinen bedeutet mir seit den Teenagerjahren sehr viel. Ich habe damit begonnen, als es noch keine Mountainbikes gab. Zunächst mit dem Rennrad bei Radtouristikfahrten und dann relativ schnell bei Straßenrennen, bis zum Ende meines Studiums und Zivildienstes. Mit dem Eintritt in die Arbeitswelt habe ich dem Wettkampfsport dann erstmal goodbye gesagt. Im letzten aktiven Jahr bin ich noch Bezirksmeister geworden und war unter den Top 20 bei den Hessenmeisterschaften Straße. Mit Ende der 80er kamen dann auf einmal neue Fahrräder in Mode: Mountainbikes mit Stahlrahmen, 26“-Räder und breiten Stollenreifen sowie Starrgabel. Für das Wintertraining hatte ich mir ein solches zugelegt (Wheeler) und bin damit sozusagen ein Biker der ersten Stunde. Nachdem unser Sohn zur Welt gekommen und im Kindergartenalter war und ich mich beruflich etwas etabliert hatte, habe ich mir dann 2003 zum „Wiedereinstieg“ in das etwas aktivere Radfahren ein Race-Fully gekauft, kein Vergleich mehr mit dem Wheeler von ‘89. Relativ schnell führte das dazu, dass ich wieder angefixt war und deutlich regelmäßiger und aktiver gefahren bin. Dabei kamen mir die zahlreichen „Lebenskilometer“, die ich aus der aktiven Zeit hatte, zu Gute. Ziemlich schnell bin ich dann damit in die Berge gefahren zu einem Guide in die Zugspitzarena und damit war es endgültig geschehen: ich war Mountainbiker, zumal die Rennen auf der Straße nur noch die von mir gehassten Kriterien waren. Ein paar Jahre später lernte habe ich bei einem geführten Alpencross Gwenda und Harald kennen und damit ist auch der Bezug zu toMotion erklärt.

Fährst du Rennen und wenn ja, was sind deine Lieblingsrennen?

Ja, meist Stundenrennen. Die liebste Distanz sind mir 12h-Rennen, da der Organisationsaufwand noch einigermaßen überschaubar ist. Aber 24h-Rennen haben auch was und erfordern noch mehr von dem, was mir ganz gut liegt: sich quälen können und eine gewisse Resilienz in der Crunchtime. Inzwischen in der Regel solo. Beim Einstieg in dieses Business spielten auch Gwenda und Harald eine Rolle. Fürs erste Rennen hatte ich Gwenda gefragt, ob wir ein Mixed fahren wollen beim 24h-Rennen in München. Wegen Krankheit ist dann Harald eingesprungen. Mit Gwenda bin ich dann aber auch noch drei Rennen im Zweier-Mixed gefahren (München, Sulzbach-Rosenberg und Weilheim) und wir waren jedes Mal auf dem Podium. Seitdem fahre ich in der Regel Solo.

 

Wenn es irgendwie geht, versuche ich auch noch mal ein Straßenrennen einzubinden, gelingt aber eher selten, da es fast nur noch Kriterien gibt. Mein letztes Straßenrennen war 2019 die Hessenmeisterschaft im Einzelzeitfahren, wo ich mit einem Triathlonrad, das ich vor zehn Jahren gebraucht in Ebay gekauft hatte, angetreten bin. Interessante Erfahrung, leider nicht so wahnsinnig erfolgreich, aber auch natürlich eine komplett andere Belastung im Vergleich zu den Ultradistanzen.

Gibt es für dich noch etwas anderes als Arbeit und Mountainbiken?

Ja! Familie, regelmäßig ins Fußballstadion und Konzerte, bevorzugt Punk/Rock/Metal.

Wie schaffst du es, dein Training mit Beruf und Familie bzw. Freunden in Einklang zu bringen?

Das frage ich mich auch manchmal. Erst mal aufgrund von riesengroßem Verständnis meiner Family, die den ganzen Kram und die Verrücktheiten des Familienvaters mitmacht und sogar noch unterstützt. Zweitens durch Disziplin und unkonventionelle Ansätze (z.B. im Winter Rollentraining morgens um 5 Uhr vor dem Aufstehen) und last but not least achte ich drauf, einmal im Jahr im Frühjahr (wenn´s geht auf Mallorca) einen großen Umfangs-/Ausdauerblock zu machen.

Wie viele Stunden pro Woche arbeitest du und wie viele trainierst du?

Beides zähle ich nicht. Meinen Job habe ich so ausgesucht, dass er mir Spaß macht (meistens zumindest) und wenn man Verantwortung für Unternehmen und Mitarbeiter zu tragen hat, kann man nicht nach Stechuhr arbeiten. Ein Blick in mein Strava-Profil zeigt 333 h auf dem Rad für den Zeitraum von Januar bis Anfang August diesen Jahres an, da sind dann aber auch Picknick-Fahrten zum Weintrinken enthalten. Relativ akribisch bin ich bei der Einhaltung von 3-5 Mal 40 min pro Woche  auf dem Ruderergometer für die Gesamtstatik des Körpers. Dann noch einmal pro Jahr zu einer Dorn-Therapie zum Ausrichten der Wirbelsäule und Gelenke in die Physio-Praxis meines Vertrauens, und das war‘s.

Passt du deine Ernährung an deinen Sport an und worauf achtest du?

Nein, überhaupt nicht. Vermutlich bestünde hier das größte Tuningpotenzial, allerdings verbunden mit einem ebenso großen Verlust an Lebensfreude. Da bei den Rennen, die ich fahre, neben der körperlichen Komponente auch das Mindset und der Wille eine elementare Rolle spielen, besonders in der Crunch-Time, bin ich der festen Überzeugung, dass Wohlbefinden und Spaß eine große Rolle spielen.

Welche Begegnung (beim Mountainbiken oder außerhalb des MTB-Sports) bleibt dir in schöner Erinnerung?

John Degenkolb beim Training getroffen zu haben, der nicht weit von mir entfernt wohnt und regelmäßig auf den gleichen Straßen trainiert wie ich, wenn ich Rennrad fahre. Und damit verbunden die Tatsache, dass ich einen KOM im Wald mit dem Bike bergauf halte, bei dem ich vor ihm stehe. Aber wo verrate ich nicht und den Weg werde ich mit der Motorsäge noch unbefahrbar machen, damit sich daran nichts ändern kann.

Woran erinnerst du dich in der vergangenen (recht außergewöhnlichen) Saison besonders gern?

An die beiden Challenges, die ich alleine gemacht habe: das Eversting 10kRoam und die 500 km am Stück im Hellen. Insbesondere das Everesting, das ich zwei Tage vorher auf Strava und Facebook angekündigt habe, war ein unglaubliches Erlebnis, weil mit  Anbruch des Tages ab morgens um 5 Uhr immer irgendwelche Leute vorbeikamen und mit mir ein oder mehrere Turns gefahren sind. Sie haben mich unterhalten und so war ich bis zum Abschluss abends nie allein. Dabei habe ich auch Leute, die ich vorher nie persönlich getroffen hatte und nur von Strava „kannte“, persönlich kennengelernt. Und daraus sind wiederum einige gemeinsame Fahrten entstanden. Das war insbesondere in der ersten Lockdown-Phase ohne Kontakte ein absolut berührendes Erlebnis. (a.d.R.: Siehe den Link zum Bericht, ganz unten auf dieser Seite)

Und der einsame 500er auf der Straße, den ich alleine mit einem über 30er-Schnitt fahren musste, damit das selbstgesteckte Ziel, die Distanz im Hellen zu fahren, zu schaffen war. Einfach nur eine krasse, aber sehr interessante Selbsterfahrung im Lonesome-Rider-Modus. (a.d.R.: Siehe den Link zum Bericht, ganz unten auf dieser Seite)

Welche Ziele hast du dir für die Saison 2021 gesetzt?

Ich hatte einige 12h und 24h Rennen auf dem Zettel, die aber alle abgesagt wurden oder auf der Kippe standen. Daher habe ich Ende April beschlossen, dass 2021 eine Saison ohne Nummer am Rad wird. 2022 greife ich wieder neu an.

 

Link zu unserem Bericht "Everesting 2020 "10k Roam"

Link zu unserem Bericht "Gehen 500 km im Hellen?"