01.12.2021

Wintertraining an der frischen Luft

Die Wintermonate haben in Deutschland trainingstechnisch einen Nachteil: sie sind kalt und manchmal auch nass. Bei solchem Wetter fühlt sich unser innerer Schweinehund pudelwohl und flüstert uns ins Ohr, dass es drinnen schön warm und trocken ist und es sich auf der Rolle oder auf dem Laufband im Fitnessstudio doch auch prima trainieren lässt. In diesem Beitrag wollen wir eine Lanze brechen für das Training im Freien. Denn der Winter bietet auch herrlich sonnige Tage, an denen nichts dagegen spricht, die Trainingseinheiten nach draußen zu verlegen - vorausgesetzt, du beachtest ein paar grundlegende Regeln. Wir haben uns für unseren Beitrag zwei ausgewiesene Wintersport-Experten ins Boot geholt: Sophia Wessling, Skibergsteigerin im Deutschen Nachwuchs-Bundeskader und Teilnehmerin der Olympischen Jugend-Winterspiele 2020 in Lausanne sowie Carsten Gundlach, der im Winter als Skilehrer für den DAV Kurse leitet.

 

Ambitionierte Sommer-Ausdauersportler wie Radfahrer, Läufer oder Triathleten legen in der Regel im Herbst, nach Ende ihrer Wettkampfsaison, eine mehrwöchige Saisonpause ein. Im Anschluss daran beginnen sie mit dem Aufbautraining für die folgende Saison. Dabei steht vor allem ein Grundlagen-Ausdauertraining auf dem Programm, später jedoch auch intensivere Einheiten (Intervalle). Welche Sportarten sind nun geeignet für ein Ausdauertraining im Freien? „Laufen bzw. Trailrunning geht eigentlich immer, bei Wind und Wetter“, schmunzelt Carsten. Vor allem das Laufen ist überall machbar, selbst in der Stadt im Dunkeln unter Straßenlaternen. Laufen ist ideal für das Grundlagentraining, es lassen sich aber auch Intervalle einbauen. Läufst du im Dunkeln, solltest du auf Kleidung mit reflektierenden Flächen achten, damit du für Autofahrer gut sichtbar bist (siehe auch unseren Beitrag „Sichtbarkeit beim Sport im Dunkeln“ (http://www.tomotion-gmbh.de/toMotion-News/2021/01/28/Sichtbarkeit-beim-Sport-im-Dunkeln).

   

Trailrunning hingegen bringt mehr Spaß und Abwechslung und ein völlig neues Erlebnis auf den Trails, die man vielleicht nur vom Biken her kennt“, erklärt Carsten. „Trailrunning ist perfekt für Grundlagentraining und Intervalle, und schult darüber hinaus noch die Koordination (Gleichgewicht, Blickführung).“. Ein Berglauf spricht eher den bereits trainierten Läufer an, da er in den oberen Pulsbereichen stattfindet und deshalb ungeeignet für Grundlagentraining ist. „Muskulär werden die Waden und Oberschenkel (vor allem bergab) bei dieser Laufart am meisten gefordert. Hier sollte man sich mit dem Training langsam herantasten, da beim Berglauf die muskuläre Belastung am höchsten ist“, so Carsten.

Skibergsteigerin Sophia Wessling bevorzugt, solange noch kein Schnee liegt, für ihr Grundlagentraining den sogenannten Skigang. Diese Sportart kannst du dir als „verschärftes Walking“ vorstellen. „Als Skigang wird das Laufen mit intensivem Stockeinsatz und besonders langgezogenen, flachen Schritten am Berg bezeichnet“, erklärt Sophia. „Anders als beim normalen Berglaufen oder Joggen sorgt dies auch für eine Beanspruchung der Armmuskulatur. Besonders geeignet sind dafür Forststraßen, damit du dich auf eine saubere Technik konzentrieren kannst. Du kannst auch Variationen in dein Training integrieren, wie einen intensiven Doppelstockeinsatz in besonders steilem Geländen, oder auch kraftvolle Sprünge, begleitet durch den Stockeinsatz, im flachen Gelände. Für die Koordination ist die letztere Variante besonders fordernd.“.

 

Sobald ausreichend Schnee liegt, stehen weitere Sportarten wie Langlauf (Skating oder klassisch), Skitouren oder Schneeschuhtouren zur Auswahl. „Langlauf ist ideal für lange Grundlageneinheiten, die den ganzen Körper fordern“, so Carsten. „Außerdem werden hier auch noch Gleichgeweicht und Koordination (Beine/Arme) trainiert. Intensivere Einheiten sind beim Langlauf sicherlich nur etwas für geübte und technisch saubere Läufer. Wichtig ist hier, sich erst einmal eine saubere Technik anzueignen, bevor man sich an Geschwindigkeit und intensive Einheiten wagt.“.

 

Sophia schätzt für ihre Grundlageneinheiten vor allem Skitouren. „Skitouren sind eine ideale Sportart, um die Grundlagenausdauer zu verbessern. Wie auch beim Radfahren können wegen der Zeitersparnis durch die schnellen Abfahrten mit Ski (im Vergleich zum langen Abstieg zu Fuß) deutlich mehr Höhenmeter als beim Berglaufen bewältigt werden. Besonders wenn man auf großen Höhen unterwegs ist (z.B. Gletschertraining), kann ein deutlicher Trainingsfortschritt erzielt werden.“ Auch Schneeschuhtouren sind ein perfektes Grundlagentraining, das vor allem die Beinmuskulatur trainiert. Hier entfällt jedoch der Vorteil einer schnellen Abfahrt.

 

Ausrüstung

Werfen wir nun einen Blick auf die Ausrüstung für ein Wintertraining im Freien. „Vor jedem Training im Freien lohnt es sich, einen kurzen Blick auf den Wetterbericht zu werfen, um sich mit entsprechender Kleidung für eventuellen Wind, Regen oder Schnee auszustatten“, empfiehlt Sophia.

„Bei der Kleidung ist generell und ähnlich wie beim Radfahren das Zwiebelschalenprinzip perfekt geeignet, um sich passend und nicht zu kalt oder warm anzuziehen“, so Carsten. „Je nach Temperatur trage ich Handschuhe und Mütze. Bin ich im Schnee bei schönem Wetter unterwegs, gehört auch eine Sonnenbrille dazu.“. Beim Laufen sind vor allem die Schuhe und Socken wichtig. Carsten empfiehlt, Socken unbedingt vorher auszuprobieren und zu schauen, ob sie für deine Füße passen und nicht scheuern oder Blasen verursachen. „Im Winter bietet sich auf jeden Fall ein Schuh mit Gore Tex an, so behält man etwas länger trockene Füße. Geht es durch den Schnee, so lassen sich auch Gamaschen (die gibt es extra für Laufschuhe) drüber ziehen, so dass von oben keine Schnee oder Wasser in den Schuh kommt. Beim Berglauf gehört ein kleiner Trailrucksack dazu, der mit Wechselkleidung, warmer Jacke, Windjacke,  Rettungsdecke und eventuell einer kleinen Thermosflasche und Riegeln gefüllt ist.“.

Für den Langlauf benötigst du eine Grundausstattung aus Ski, Stöcken und Schuhen, wobei diese sich je nach Langlaufstil (Skating oder Klassisch) unterscheiden. Gebrauchte Ausrüstungen lassen sich für wenig Geld bei Ebay Kleinanzeigen finden. Der Klassische Stil ist einfacher zu erlernen als Skating (hier ist die Technik komplexer und der Bewegungsablauf umfangreicher). Für den Anfang ist ein Kurs empfehlenswert, um die Langlauftechnik zu erlernen.

Bei Skitouren steigen die Anforderungen. „Hier braucht es natürlich passende Tourenski mit Fellen, Schuhen und Stöcken, die aber auch gebraucht und preiswert auf Ebay Kleinanzeigen zu finden sind“, erklärt Carsten. „Immer mit dabei solltest du einen Rucksack mit Wechselkleidung, warmer Jacke, einem zweiten Paar Handschuhe, Rettungsdecke, einem Erste-Hilfe-Set, einer kleinen Thermosflasche und Riegeln haben. Für die Abfahrt empfiehlt sich auch ein Helm – hier kannst du auch einen Radhelm verwenden. Als Hose ist eine Softshell-Tourenhose gut geeignet (die mindestens stark windabweisend ist) und für den Aufstieg ein Langarmtrikot mit Weste und leichten Handschuhe. Zur Abfahrt ziehe ich mir immer etwas Warmes an: Primaloft oder Daune und Hardshell sowie Skihandschuhe. Auch hier gilt: Brille (Sonnenbrille oder Skibrille) nicht vergessen.“. Wer noch keine Skitour-Erfahrung hat, sollte zuerst mit einer Pistenskitour beginnen, um sich an die Technik und Ausrüstung zu gewöhnen und zu üben. Eventuell bietet sich auch ein Kurs an. Infos zu Pistentouren und Regeln gibt’s unter anderem beim Deutschen Alpenverein (DAV). Wer ins Gelände geht, muss zwingend eine LVS-Ausrüstung zur Lawinenverschüttetensuche (Schaufel, Sonde und LVS-Gerät) dabei haben und wissen, wie diese funktioniert und eingesetzt wird. Das Lesen und Verstehen des Lawinenlageberichts gehört ebenfalls zu den Grundvoraussetzungen. Weiter sollte auch Wissen zu Lawinen, Gelände und Schnee vorhanden sein, um auf Tour richtig einschätzen und entscheiden zu können. Ein Kurs kann hier den Einstieg erleichtern. „SAAC aus Österreich (www.saac.at) bieten teils kostenlose Lawinen-Basic-Kurse an, um die Grundlagen zu vermitteln“, weiß Carsten. Bei Schneeschuhtouren ist nur die Grundausrüstung (Schneeschuhe mit Wanderstiefeln oder hohen Trailschuhen statt Ski mit Fellen und Skischuhen) eine etwas andere, ansonsten gilt dasselbe wie bei Skitouren.

Gesundheit

Grundsätzlich ist Bewegung an der frischen, kalten Luft gut für deine Gesundheit und stärkt dein Immunsystem. Dadurch bist du dann auch besser gerüstet gegen die im Winter üblichen Infektionskrankheiten. Beim Wintertraining im Freien musst du wegen der Kälte und gegebenenfalls auch Nässe allerdings etwas mehr auf deine Gesundheit achten. „Generell gilt: bei langen Trainingseinheiten, vor allem in den Bergen, unbedingt einen Rucksack mit Wechselkleidung (mindestens trockenes Unterhemd und Windjacke und eventuell eine warme Jacke) dabei haben“, empfehlen unsere beiden Experten. „Geht es auf einen Berg, solltest du dich am besten kurz vor dem Gipfel im windgeschützten Bereich umziehen und dir für die Gipfelpause eine Windjacke oder eine warme Jacke und Mütze anziehen. Auch wenn du vor Antritt der Abfahrt oder des Abstiegs kein Gefühl von Kälte verspürst, solltest du dennoch für trockene und ausreichend warme Kleidung sorgen, um Erkältungen vorzubeugen.“.

Tipp von Sophia: „Gerade bei extremer Kälte zahlt es sich aus, ein dünnes Halstuch bei sich zu tragen und dieses bei Beginn des Trainings über Mund und Nase zu ziehen. Lästige Halsschmerzen oder Husten nach oder während des Trainings konnte ich dadurch schon oft vermeiden.“.

„Viel trinken ist wichtig, weil die kalte Luft trockener ist und die Schleimhäute dadurch schneller austrocknen“, weiß Carsten. „Für längere Trainingseinheiten bei niedrigeren Temperaturen solltest du dein Getränk gut isoliert verwahren oder sogar eine Thermosflasche mitführen“, fügt Sophia hinzu. „Gerade bei Skitouren muss ohne diese Maßnahmen manchmal ganz aufs Trinken verzichtet werden, da dieses ab einer gewissen Temperatur zu kalt wird oder sogar gefriert.“. 

Nach dem Training solltest du dich sofort unter die Dusche stellen und nicht noch mit den Sportklamotten z.B. Essen in der Küche vorbereiten. Falls keine Dusche in der Nähe ist, dann ziehe dir am Auto sofort warme, trockene Kleidung an.

Trotz aller Vorsorge ist es nicht auszuschließen, dass du beim Training doch von einem Wetterumschwung überrascht wirst und nicht entsprechend gekleidet bist. „Dann verkürze ich die Trainingseinheit lieber oder breche sie sogar ganz ab, um nicht das Risiko einzugehen, krank zu werden“, rät Sophia.

Angesichts der ganzen Vorkehrungen und Maßnahmen, die sich beim Ausführen einer Outdoor-Sportart im Winter empfehlen, klingt das Training auf der Rolle oder dem Laufband im Warmen vielleicht deutlich angenehmer. „Allerdings darf man nicht vergessen, dass - abgesehen von den vielseitigen Möglichkeiten einer Outdoor-Sportart, Trainingsreize zu setzten - sich die Uhr bei einer Einheit auf der Rolle langsam rückwärts dreht. Wohingegen draußen, in der Natur, in den Bergen, die Zeit verfliegt“, erklärt Sophia die Faszination eines Wintertrainings im Freien.